Beratung gegen die Angst

Science Fiction? Regionale Krisengebiete. Eingeschränkte Persönlichkeitsrechte, digitale
Kontrolle des Lebenswandels, Quarantäne beim Verdacht auf Infizierung. Menschen, die
möglichst kontaktarm leben. Das könnte Alltag werden. Die nächsten Corona-Wellen werden kommen, prophezeien die Virologen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Maßnahmen ihrer Regierung als „demokratische
Zumutung“ bezeichnet. Jetzt werden Lockerungen diskutiert. Und für die Westdeutschen könnte die Rückkehr zur Normalität den größten Einschnitt seit 1948 markieren (1990 veränderte die westdeutsche Gesellschaft nicht einschneidend, zumindest nicht „gefühlt“). Damals, mit der Währungsreform, begann der ökonomische Aufstieg Deutschlands. Was kommt jetzt? Wer verliert sein Geschäft? Wer wird arbeitslos? Wieviele Partnerschaften sind zerbrochen, wieviele Lebenswege geknickt?

Fragen bleiben offen

Am Anfang forderte die Pandemie-Abwehr Zeit und Energie. Unter Druck musste gehandelt werden. Orientierte sich die Diakonie zu Recht streng an den Gesetzen? Gab es keine
Alternative? Immer noch ist es schwer, den richtigen Ton zu treffen. In Deutschland starben fast 8.000 Menschen durch das Virus. Es herrschte Angst.

Andrea Makies, Geschäftsführerin der Diakonie Hamburg-West/Südholstein, erinnerte zu Beginn: „Diakonie heißt, trotz eigener Ängste für andere da zu sein.“ Viele haben ihre alten und kranken Angehörigen zwei Monate lang allein gelassen – eine leidvolle Entscheidung. Wie thematisieren wir Angst? Wieviel Online-Kommunikation verträgt der Mensch? Ist es wünschenswert „kontaktarm“ zu leben? Das könnten Fragen an die Beratungspraxis sein.

Andrea Makies erlebte, wie lebensbedrohlich das Virus ist. Eine Freundin landete mit schwerem Verlauf im Krankenhaus. Und doch: die weitaus meisten Erkrankten kamen mit relativ leichten Symptomen davon. Wie verhindern Berater*innen Verharmlosungen, wie vermeiden sie falschen Alarm?

Unabsehbare Folgen

Die vielen Todesfälle in den USA zeigen, was das Virus anrichtet in einer Gesellschaft, die sozial auseinander fällt. Das soziale Netz in Deutschland ist weit von diesen Zuständen entfernt. Das müsse so bleiben, sagt Andrea Makies: „Der politisch gewollte Wettbewerb im sozialen Bereich darf nicht zu Lasten der Qualität gehen. Wir setzen uns dafür ein, dass alle Menschen versorgt werden.“

Noch sind die sozialen und ökonomischen Folgen der Pandemie nicht absehbar. Es geht um den Erhalt des Sozialstaats. Es geht letztendlich um die Frage: wie wollen wir leben? Gute Beratung muss Antworten finden.

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