08/06/2020 Öfter online auf Draht

Ein Termin platzt. Auf die Schnelle muss ein neues Thema her. Der Reporter hat zum Glück ein paar Adressen: „Sonst gern, aber wir bereiten gerade ein Audit vor“, erklärt Karen Schueler-Albrecht. Und dann, mit dem Gespür der erfahrenen Beraterin: „Wann können Sie hier sein?“ Eine Stunde später klingelt der Reporter an der Tür des Pinneberger Katharina-von-Bora-Hauses.

Die Leiterin des Diakonievereins Migration lässt dem Reporter einen Spalt offen. Verbindlich, aber unerbittlich heißt es für die wartende Familie: „Holen Sie sich bitte einen Termin.“ „Unglücklich“, findet Frau Schueler-Albrecht das, gelinde gesagt. „Wir sind ja für die Leute da.“

Beratung wird flexibler

Corona hat zumindest das Interesse an Sprachkursen nicht geschmälert. „Wir suchen jetzt größere Räume, wegen des Abstandsgebots.“ Hat das Virus auch positive Folgen? Da muss sie nicht lange überlegen. Die Skepsis gegenüber der virtuellen Konferenz sei groß gewesen. Manche Sitzung, die nicht an einen Standort gebunden sei, könne jedoch gut online laufen. Im Flächenland Schleswig Holstein kommt da einiges an gesparter Zeit zusammen. Auch das Home Office habe sich für Mitarbeiter*innen bewährt. „Wir überlegen, die Arbeit so zu strukturieren, dass ein Tag in der Woche zu Hause gearbeitet werden kann. Niemand muss ins Büro, um Statistiken zu erstellen.“

Und noch eines sei überraschend gewesen. „Es ist jetzt so ruhig hier.“ Nein, sie meint nicht das, was dem Reporter einfällt: „Die Leute stören hier nicht. Seit dem Wegfall wird deutlich, wie anstrengend die offenen Sprechstunden waren. Für die Ratsuchenden, die lange in den Fluren warten mussten und für die Berater*innen, die sich von den ungeduldig Wartenden gedrängt fühlten. „Termine sind persönlicher, entspannter und effektiver. Die Beratung muss niedrigschwellig sein, aber vielleicht finden wir neue Formen.“

Der Spalt vertieft sich

Dann wird das Gespräch doch noch nachdenklich. „Wir haben unsere Berater*innen aus den Flüchtlingsunterkünften abgezogen. Die Enge dort erhöht die Ansteckungsgefahr. Telefonisch haben wir Kontakt gehalten, so gut es ging.“ Das ist ein Trend in diesen Tagen: Wer kein Smartphone hat, wer nicht telefonieren kann, weil er oder sie sich nicht traut, kommt ins Hintertreffen. Die Teilung der Gesellschaft vertieft sich, wenn niemand gegensteuert. „Wer soll die Wohnungen bezahlen, die gebraucht werden?“. Die Expertin ist zum ersten Mal ratlos. Dem Reporter fallen die vielen Milliarden ein, die jetzt zu Hilfspaketen geschnürt werden.

Das war effektiv, denkt der Reporter in der S-Bahn nach Hamburg und hackt die ersten Sätze ins Laptop.

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