Perspektivenwechsel: Den Wert sozialer Arbeit betonen

britta wagner klein
Beraterin Dr. Britta Wagner, Nürnberg

„Seid selbstbewusster, Ihr verdient es“, fordert die
Sozialwissenschaftlerin von Menschen in Sozialen Berufen. Ihre Arbeit schaffe Werte, die sich in Zahlen ausdrücken ließen, so ihre Botschaft.

Unser Solidarsystem mildert in professioneller Weise individuelle Lebensrisiken ab. Das ist meines Erachtens eine der größten zivilisatorischen Errungenschaften. Und dieses System schafft Werte für die Gesellschaft. Die meisten dieser Werte lassen sich nicht in Geld ausdrücken, aber es gibt auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen. Dies zu betonen ist ein entscheidender Perspektivenwechsel.

Lohnende Investitionen

Erstens schaffen soziale Unternehmen Arbeitsplätze und fragen Güter und Dienstleistungen nach. Ein bis zwei Drittel der öffentlichen Mittel fließen meist wieder an die öffentliche Hand zurück in Form von Steuern und Sozialbeiträgen. Es gibt aber auch Angebote, bei denen die Quote über 100 % liegt.

Zweitens werden Nutzer einer sozialen Dienstleistung häufig in die Lage versetzt, weniger abhängig von Transferleistungen zu sein. Sie können sogar selbst wieder zu Beitragszahlern werden.

Drittens kann die Gesellschaft durch die Investition in eine soziale Dienstleistung an anderer Stelle wiederum Kosten sparen.

Viertens sind soziale Unternehmen immer auch Teil der regionalen und überregionalen Wirtschaft. Sie fragen Handwerksleistungen vor Ort nach und kaufen Produkte ein, die Mitarbeiter geben einen Teil ihrer Gehälter dort aus. Soziale Unternehmen sind ein wirtschaftlicher Standortfaktor.

Erwünschte Transparenz

Wer für eine gute Sache spendet, interessiert sich zu Recht dafür, was mit der Spende geschieht. Kommt sie bei den Menschen an? Wird damit auch das unterstützt, was ich gut finde?

Transparenz sollte für die Träger Sozialer Arbeit selbstverständlich werden. Dann kann man viel sachlicher über Inhalte von Leistungen, pädagogische Konzepte und jene Wirkungen sprechen, die sich eben nicht in Geld ausdrücken lassen.

Investition statt Kostenfaktor

Es geht um einen Perspektivenwechsel: Sozialausgaben sind Investitionen in die Gesellschaft, nicht der größte Kostenfaktor im Haushalt.

Diese Investitionen drücken gesellschaftliche Grundwerte wie Menschenwürde und Gleichheit aus und pflegen diese Werte gleichzeitig. Das lässt sich in Geld nicht bemessen, und das erwartet auch keiner.

Sie dienen ganz wesentlich einzelnen Menschen, deren Leiden zu mindern, Handlungsspielräume und im weitesten Sinne Lebensqualität zu gewinnen. Auch hier ist Geld das falsche Maß.

Aber sie sorgen auch für soziale Integration und sozialen Frieden, indem sie Ungleichheit abfedern und dem Erhalt eben jener zwingend notwendigen Sozialsysteme dienen.

Und hier steckt die ökonomische Wertschöpfung sozialer Dienstleistungen. Darüber zu sprechen, wird der Arbeit nur gerecht und führt zu rationaleren politischen Diskussionen.

Selbstbewusstsein zahlt sich aus

Eine Branche, die sich nicht traut, über die eigene – auch materielle – Wertschöpfung zu sprechen, entzieht sich in gewisser Weise einem adäquaten System aus Leistung und Gegenleistung. Ich hoffe sehr, dass eine selbstbewusste Darstellung des gesellschaftlichen Beitrags sozialer Dienstleistungen sich auszahlt – als finanzielle Wertschätzung.

Das Beratungsinstitut xit forschen. planen. beraten. hat gemeinsam mit der Evangelischen Hochschule Nürnberg (Prof. Dr. Klaus Schellberg) und der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (Prof. Dr. Bernd Halfar) das aus den USA stammenden Konzept SROI – Social Return on Investment – für die Situation des deutschen Wohlfahrtsstaates adaptiert und bereits über 80 Organisationen unterschiedlichster Dienstleistungsbereiche der Sozialen Arbeit damit analysiert, darunter auch zahlreiche diakonische Träger.

Mehr über die Kampagne Diakonie. Gut beraten

2 Gedanken zu „Perspektivenwechsel: Den Wert sozialer Arbeit betonen

  1. Maren von der Heyde Beitragsautor

    Ist soziale Arbeit mit Geld zu bezahlen?

    Frau Dr. Wagner gibt bedenkenswerte Impulse. Transparenz halte ich auch für wichtig:
    Offensiver über die gesellschaftliche und wirtschaftliche Wertschöpfung zu sprechen, die wir leisten, würde manches klarer machen.

    Ihr Konzept birgt aber eine Gefahr. Wenn wir von Wertschöpfung sprechen und damit die Erwirtschaftung eines Mehrwerts meinen, folgen wir der Logik derer, die Wertschöpfung nur als ökonomisches Wachstum beschreiben. Der „soziale Wertzuwachs“, auf den es Frau Dr. Wagner – und uns in der Diakonie – ankommt, würde dann gerade nicht berücksichtigt.

    Die Mitarbeitenden der Diakonie, dessen bin ich sicher, gehen nicht davon aus, ihre Arbeit sei mit Geld zu bezahlen. Die gesellschaftliche Anerkennung, die sie zu Recht erwarten, sinkt aber. Ich beobachte, dass den in der Sozialarbeit Tätigen, wie auch LehrerInnen und PastorInnen inzwischen sogar Verachtung entgegenschlägt. Auch deshalb interessieren sich immer weniger Männer für diese Berufe.

    Ich will nicht in Zeiten zurück, in denen die Arbeit im sozialen oder pflegerischen Bereich für einen „Gotteslohn“ getan wurde. Aber ich frage mich, wie z. B. die soziale Anerkennung dieser Berufe zurück gewonnen werden kann. Könnte es sein, dass es neben dem ökonomischen Mehrwert noch andere „Währungen“ gibt?

    Maren von der Heyde, Geschäftsführerin der Diakonie Hamburg-West/Südholstein, Pastorin

  2. Tabea Müller

    „Danke, Sie haben mir sehr geholfen.“ Und: „Was Sie hier machen, finde ich beeindruckend.“ Solche Rückmeldungen von Klientinnen und Kooperationspartnern sind der ideelle Lohn, den ich für meine Arbeit erhalte und der deutlich macht, wie notwendig und wertvoll soziale Arbeit ist.

    Da gibt es jedoch auch noch eine andere Dimension. In unserer Gesellschaft wird der Wert einer Dienstleistung monetär definiert. Demzufolge muss er sich auch darin niederschlagen. Die „ökonomische Wertschöpfung sozialer Dienstleistungen“, von der Fr. Dr. Wagner spricht, offenbart sich im Effekt sozialer Arbeit wie z.B. der Befähigung notleidender Menschen zu Eigenverantwortung, in sozialem Frieden durch abgemilderte Ungleichheit, in würdevollen Lebensverhältnissen, Bildung und Teilhabe. Die Investition fließt damit zurück an die Gesellschaft.

    Wertvolle soziale Arbeit im ganzheitlichen Sinne erfordert, dass alle dafür notwendigen Ressourcen selbstverständlich zur Verfügung stehen. Es kann hierbei nicht um entweder ideelle oder monetäre Werte gehen. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar.

    Tabea Müller, Leiterin TAS und Beratungsstelle für Wohnungslose Norderstedt, Diakonisches Werk Hamburg-West/Südholstein

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