Mutter Teresa ist schon lange tot

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Unternehmensberaterin Martina Plag  Foto: Daniel Merz

Haben die sozialen Berufe in erster Linie ein Imageproblem? Es sieht nur so aus, meint Martina Plag. Die Verantwortung für Menschen dürfe nicht länger gering geschätzt werden.

Die Arbeit im Sozialen Bereich wird in unserer Gesellschaft generell unterbewertet. Ingenieure sind Leitfiguren. Sie werden geachtet, weil sie Autos entwickeln oder Kettensägen. Das Ergebnis ist sichtbar (und teuer) und wir könnten das nicht so ohne weiteres nachmachen. Einer Mutter mal sagen, wie sie ihr Kind zu betreuen hat, da ist doch anscheinend nicht viel dabei, oder?
Diese Unterbewertung der sozialen Berufe ist fatal und laut zu beklagen. Noch dazu, weil so
viele Frauen in diesen schlecht bezahlten Berufen arbeiten.

Entscheidungsspielraum ausweiten

Die Leiterinnen von Einrichtungen können Tarifabschlüsse nicht ändern. Sie können jedoch die Unternehmenskultur und die Arbeitsbedingungen gestalten. Sie können Austausch und
Kommunikation organisieren oder flexible Arbeitszeitmodelle anbieten. Soziale Träger wie das Diakonische Werk sind gefordert, nachhaltig die Gesundheit und Zufriedenheit ihrer
Mitarbeiter/innen und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu gewährleisteten.

Rotation ist bei jeder Arbeit mit Menschen wichtig. Man kann nicht 20 oder 30 Jahre
Suchttherapeutin sein oder obdachlose Menschen versorgen. Das geht an die Substanz. Wie kann man Arbeit so organisieren, dass es entlastende Phasen gibt, eine andere Tätigkeit?
So dass man nach einiger Zeit sagen kann: Ich habe wieder Lust auf die schwierige Arbeit.

Man muss die Betroffenen fragen, was sie brauchen, um zufrieden arbeiten zu können.
Der Arbeitgeber muss den Menschen ein Umfeld bieten, in dem sie gestalten können.

Leitfiguren gegen Vorurteile

Man hat bestimmte Klischees von Menschen in sozialen Berufen. Die können ja nicht rumlaufen wie die Banker. Sie können nicht im teuren Outfit kommen. Sie dürfen sich nicht zu sehr
von ihren Klienten entfernen. Ich hatte mal einen Kunden, als ich dem sagte, ich sei Soziologin, antwortete er: Ach das sind doch die, die Birkenstock tragen und Himbeertee trinken.

Auch wenn man an einen Ingenieur oder einen Banker denkt, hat man ja ein Bild vor Augen.
Josef Ackermann von der Deutschen Bank war so jemand: Den kann man doof finden. Oder man kann wütend über ihn sein. Aber er personifiziert seine Branche. Solche Leitfiguren fehlen: Menschen im öffentlichen Raum, die soziale Arbeit machen. Mutter Teresa ist schon lange tot.

Ich fände es gut, wenn man dieser Arbeit ein Gesicht gäbe. Wenn man mal „soziale Arbeiter“ zeigt. Echte Menschen, nicht erfundene. Das kann zum Beispiel eine Imagekampagne leisten. Die Kampagne der Handwerkskammer, die gefragt hat, wer hat denn Hamburg gebaut?
Die fand ich gut. Die haben sich hingestellt und gesagt: Das waren wir Handwerker und nicht
ihr Anzugträger.

Martina Plag ist eine von drei Geschäftsführenden der Hamburger Unternehmensberatung
Hachenberg und Richter. Die Soziologin hat zuvor einige Jahre in der Hamburger Verwaltung
gearbeitet. Jetzt sind ihre Schwerpunkte: Arbeitszeitgestaltung, Personalentwicklung, Frauen
in Führung, Coaching, Mediation, Moderation.

 

2 Gedanken zu „Mutter Teresa ist schon lange tot

  1. Katharina Weyandt

    „Ich fände es gut, wenn man dieser Arbeit ein Gesicht gäbe. Wenn man mal „soziale Arbeiter“ zeigt. Echte Menschen, nicht erfundene.“ Da wird Ihnen diese Diakonie-Kampagne gefallen. http://www.diakonie.de/in-der-naechsten-naehe-2015-das-plakat-fluechtlinge-16578.html
    Diese Kampagne wird schon seit Jahren gefahren. http://www.diakonie.de/in-der-naechsten-naehe-2015-den-helfenden-eine-buehne-geben-16031.html
    Plakatiert wird sie aber meist nur auf kostenlosen Flächen. Hier in Chemnitz ist sie recht stark sichtbar, kann sein, in Hamburg geht es Stroer noch besser, so dass man die Motive nicht so oft sieht.

  2. Stefan Moes Beitragsautor

    Auszüge aus einem Artikel der faz vom 14. Mai 2016

    Soziale Selbstausbeuter
    Von Isa Hoffinger
    Der soziale Sektor in Deutschland wächst. Und er hat ein Personalproblem. Immer mehr Alte und Kranke müssen in Heimen versorgt werden. Flüchtlingshelfer fehlen. Kommunen suchen Erzieherinnen. Eigentlich wären das paradiesische Berufsperspektiven für Einsteiger, Umsteiger und Aufsteiger. In der öffentlichen Wahrnehmung überwiegen jedoch die Klagen: Kita-Mitarbeiterinnen streiken, Sozialpädagogen haben laut einer AOK-Studie das größte Burnout-Risiko. Die Gewerkschaft Verdi streitet gerade mit dem Deutschen Roten Kreuz um 6 Prozent mehr Geld. An der Basis herrscht also eher Frust statt Arbeitslust. Woher kommt das?

    Im Sozialsektor wird praktiziert, was in anderen Branchen schwer möglich wäre: Nicht die Leistung wird primär beurteilt, sondern „der Mensch“ als Ganzes scheint aus der Sicht vieler Chefs ein tadelnswertes Mangelwesen zu sein, das der kontinuierlichen Selbstoptimierung durch Ratschläge von oben bedarf. Der Psychologe Wolfgang Schmidbauer hat in seinem Bestseller „Die hilflosen Helfer“ schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass sich in den sozialen Berufen viele Menschen mit Neurosen und auch eine Menge Selbstverbrenner tummeln. Schützen kann man sich vor solchen toxischen Führungskräften nur, wenn man sich gegen übergriffige Kommentare abgrenzen kann und sich notfalls ein Coaching organisiert.

    Eine Diplompädagogin beklagt eine mangelnde fachliche Unterstützung: „Wer Kunde einer sozialen Einrichtung ist, wird auch (meist) dementsprechend behandelt. Er bekommt Pflege, erhält sozialpädagogische Unterstützung oder arbeitsmarktrelevante Weiterbildungen. Wäre die Einrichtung auch sozial zu ihren Mitarbeitern, müsste sie diesen dieselbe Aufmerksamkeit zukommen lassen.“ Interne Schulungen gäbe es aber fast nie. Dass kaum Weiterbildungen angeboten werden, liegt nicht nur am fehlenden Budget, sondern auch an den Führungskräften selbst. Viele Beschäftigte sperren sich gegen Beratung von außen, da sie aufgrund ihrer Ausbildung als Pädagoginnen oder Sozialarbeiterinnen als „Experten“ für Zwischenmenschliches gelten und jeder Verbesserungsvorschlag in Sachen Personalführung an ihrem Selbstverständnis zu kratzen scheint. Das sorgt dafür, dass Konflikte rasch eskalieren.

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